Ueber den Daechern von Peking

RED CORNER -
Labyrinth ohne Ausweg

Ich koennte schwoeren, dass Bai Ling, die Darstellerin der Anwaeltin Jack Moores (Richard Gere), vor eineinhalb Jahren noch Vietnamesin war und im Turm-Kinocenter in Frankfurt meine Eintrittskarte zerriss. Damals wollte ich mit ihr einen romantischen Ausflug machen, aber sie rief mich nicht mehr an. Wie gut, dass es Kino gibt. Da konnte ich mir diese herbe Schoenheit, die in keiner westlichen Grossstadt gezeugt worden sein kann und der man sofort anmerkt, dass sie langsamer auftaut als das Eis in Groenland, in Gestalt einer bekannten chinesischen Schauspielerin, zwei Stunden lang anschauen in ihrem erst kuehlen, spaeter bewegten Kampf um Moores Leben, dem man einen Mord in die Schuhe schiebt. Ein wenig unkar blieb mir freilich, warum Moore, der selbst einen erfolgreichen Anwalt mimt und damit nicht der geeignetste Spielball einer Intrige ist, als Zielscheibe des Mordkomplotts herhalten muss. Richard Gere spielt ihn erst verfuehrerisch wie den AMERICAN GIGOLO, hetzt nach Folter ueber Daecher wie ein gehetztes Tier und rotiert im Gerichtssaal immer dann hilflos, wenn ihm nicht uebersetzt wird. Das Sprachproblem als wesentlichen Unsicherheitsfaktor einer Inhaftierung in der Fremde darzustellen, ist ein Verdienst des Films. Es verwundert tatsaechlich, wie zurueckhaltend insgesamt die Kritik an der chinesischen Diktatur ausfaellt, bedenkt man Geres Engagement fuer die Menschenrechte insbesondere in Tibet, was es ihm auch unmoeglich machte, in China einzureisen. Dennoch wurde in Peking gedreht, wenn auch oft heimlich, zum Beispiel als Bai Ling ueber den Tiananmen-Platz radelt. Die vor Geres Verhoerung ueber einen Bildschirm laufende Hinrichtung ist sogar authentisch. Der Gerichtssaal wurde in L.A. aufgebaut, seine Leere befremdet, verdichtet aber auch die Spannungen unter den Figuren, Schnitte als dramaturgische Fluchten auf eine betroffene Jury wie in anderen Gerichtsfilmen sind hier nicht moeglich. Man muss RED CORNER im Original sehen, die Haelfte des Filmes wird chinesisch gesprochen, und da macht es der Tonfall. Bai Lings Aufbegehren gegen das durch die vorsitzende Richterin in entruestetem Singsang verkoerperte Rechtssystem naehrt am Ende die Flamme der Demokratiebewegung, die einst so ruede erstickt wurde. Mit Regisseur Jon Avnet, der vom Theater kommt und mit der ABC-Serie CALL TO GLORY, dem Fernsehspiel THE BURNING BED (mit Farah Fawcett), GRUENE TOMATEN und AUS NAECHSTER NAEHE seine Sensibilitaet und Sinn fuer leise Zwischentoene bewies, wurde ein Drehbuch in die richtigen Haende gelegt, das Uebles ahnen lies. Autor Robert King hatte seine Story naemlich urspruenglich in Russland angesiedelt, verlegte sie aber nach dem Zerfall der Sowjetunion nach China. Ausloeser der Geschichte war eine irrtuemliche Verhaftung seiner Schwester in Italien, die mangels gemeinsamer Sprache erst nach einiger Zeit aufgeloest wurde. Ein Freund erzaehlte mir mal, wie er wegen Alkoholismus fuer einen Tag und eine Nacht in einem thailaendischen Gefaengnis verschwand. Mit Moores Zelle hatte seine das Shitloch im Boden gemein. In den Luxus der Einzelhaft kam er nicht. Den Raum in der Groesse einer Bude im Studentenwohnheim musste er mit acht(!) weiteren Gesellen teilen.

KILLER

Bai Ling oder Mai Li?

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