Der Digi Douglas Sirk @ward
... oder wie Herr Kaurismäki beinahe(?) in die Trophäe aschte


Hamburg, 27. September 2002, am CinemaxX Kino Nähe Dammtorplatz herrscht reges Treiben. Das Publikum regnet schon in Strömen zur Eingangsschlange. Der kleine Presse-KO wird nach draußen zur Presse-Ecke verwiesen, wo bisher noch keine Pressebetreuung eingetroffen ist, dafür aber ein Türsteher, der auch gerne verweist, und daher verweist er auf die andere Seite. So steht es halt in seinem Arbeitsvertrag, ich nehm's ihm nicht übel und komme wieder zurück, nachdem der Pressestand eröffnet ist. Der obtruierte Schlachtplan lautet wie folgt: Wenn alle drinnen sind, darf die Presse unten an der Ecke rein. Irgendjemand - ich nenne keine Namen - glaubt, unten an der Ecke sei unten um die Ecke und will unbedingt zwei Kilometer um den ganzen Kinokomplex laufen auf der Suche nach der geheimen Eingangstür. Glaubt mir, einfach planlos stehen bleiben ist der bessere Plan.

In der Zwischenzeit wird den Fotografen draußen am Roten Teppich ein bisschen langweilig, es kommt nämlich keiner zum Fotografieren, also schnappschießen sie derweil einen Türsteher, der bereit und willig posiert. Dessen Arbeitsvertrag sieht übrigens vor, Zivilisten vom Betreten des Roten Teppichs abzuhalten, so zirka alle drei Minuten kommt nämlich einer daher, dem die lange Schlange ganz rechts entgangen sein muss. Nun ja, vielleicht denken die Leute auch, der Rote Teppich sei für sie, ich weiß es nicht.

Markku Peltola und Kati Outinen, die Hauptdarsteller aus DER MANN OHNE VERGANGENHEIT indess, die gehören auf den Roten Teppich, und nachdem auch sie auf den vom Türsteher vorgewärmten Filmrollen verewigt sind, materialisiert und sesamöffnet sich knapp neben dem Pressestand eine kleine Metalltür. Welch Glück, dass wir nicht einen Kilometer weiter um die Ecke stehen und warten, dass uns einer reinlässt. ;-)

Die erste Reihe ist für die Presse reserviert. Das erkennt man an den Zetteln, die auf den Sitzen liegen. Auf dem Papier steht geschrieben: Reserviert für Presse. Was nicht auf dem Papier steht: Bitte entfernen Sie das Papier von den Sitzen bevor Sie sitzen! Daher raschelt es jedesmal, wenn sich der Kameramann-Cheffuzzi oder seine aufgetakelte Begleiterin neben mir bewegen. Außerdem ist er so ziemlich der erste Mensch, dem es gelungen ist, neben mir zu sitzen und mir zwei Drittel des Blicks auf die Leinwand, respektive Bühne, zu versperren, da er sich ständig nach vorne beugt, um - tja, wenn ich das nur wüsste... Schon erstaunlich wie ignorant Menschen werden können, wenn sie beruflich eine Position erreicht haben, in der sich sich wichtig fühlen und ihre Frau mitbringen dürfen oder so.

Ich musste meine Begleitung immerhin als Fotografin einschmuggeln und ihr zu allem Überdruss dann auch noch versprechen, eine Kritik zu DER MANN OHNE VERGANGENHEIT zu schreiben, bevor sie sich bereit erklärte, ein Foto zu schießen. Das Leben ist so ungerecht. Die Preisvergaben auch, denn zuerst wurden alle Teilnehmer gelobt und nachher bekam doch nur einer der Preis. Fies, nicht wahr!?

Und gelogen, der Digi@ward besteht nämlich aus einem ersten und einem zweiten Platz und wird - ich gebe zu, da kommt man auch mit etwas nachdenken drauf - verliehen an Filme, die vorwiegend computergestützte Technologien verwenden. Gemischt wird wohl gerne am Inferno oder so, oder es ist ein Inferno, das Mischen. Zumindest war die Einleitungsrede für mein leichtes Gemüt recht verwirrend bei all dem technischen Schnickschnack. Einzig und allein beruhigend, dass die Rednerin bestimmt auch nicht verstanden hat, wovon sie da spricht. Den zweiten Platz gewonnen hat auf jeden Fall THE INVISIBLE mit der Begründung, dass es den Machern am Besten gelungen sei, einen Digitalfilm zu drehen, der wie ein 35mm Film erscheint. Ein lustiges Ziel eigentlich, die Digitaltechnologie so zu perfektionieren, dass sie einem analog erscheint. 20.000 Euro hierfür an den schwedischen Produzenten Joakim Hansson und 30.000 Euro und damit der erste Preis an Produzent - den Preis bekommen nämlich immer die Produzenten - Michel Schønnemann für OLD MEN IN NEW CARS, den Nachfolger von IN CHINA ESSEN SIE HUNDE, für die Verwendung der meisten Spezialeffekte.

PS: Die beiden Filme kann man sich auch einfach nur so ansehen, weil sie Spaß machen und THE INVISIBLE hat nicht nur mich, sondern auch das Publikum begeistert und noch die Goldene tesafilm Rolle abgeräumt.

Die Preisgelder des Digi@ward indess - so das Kleingedruckte, hehe - müssen übrigens in Hamburg reinvestiert werden, d.h. IN CHINA ESSEN SIE HUNDE 3 handelt wahrscheinlich vom Befreiungsversuch eines in der Zivilvollzugsanstalt Hamburg einsässigen Dänen.

Nun folgte eine von Joachim Krøl - øha, welch genialer Übergang vom dänischen Digi@ward-Gewinner zum Douglas Sirk Preis - vorgetragende Lobeshymne auf Aki Kaurismäki. So richtig überzeugt hat mich der Auftritt von Aki Kaurismäki selbst dann aber nicht. "Die Leute behaupten immer, ich hätte Humor. Das stimmt gar nicht.", witzelt er ins Mikro und das Publikum grinst und klatscht dazu. Ich frage mich nur ein wenig, ob er immer so oder nur besoffen ist. Der Fall ist letzteres wie mir eine Filmfest interene Autogrammjägerin später bestätigt, der hat er nämlich im Vorbeigehen auch nur noch ein unleserliches Pseudogramm hingehuscht.

In Wirklichkeit bin ich natürlich nur neidisch, weil es für die Presse nichts zu trinken gab, darauf hatte ich nämlich spekuliert und hätte auch nicht Nein gesagt. Es ist nur so die Art und Weise, wie mir Herr Kaurismäki das Gefühl vermittelt, dem Klatschvieh Publikum keinen Respekt schuldig zu sein, und seine angedeutete Verwendung des Preises als Aschenbecher - ganz genau konnte ich es nicht erkennen, mir war da dauernd so ein Arm im Bild - spiegelt wohl schon ein bisschen wieder, was ihm der ganze Auftritt bedeutet. Er mag ja schöne Filme drehen, den Erfolg verdankt er immer noch dem Publikum, das sie sich ansieht.

KO

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