Antichrist

Drehbuch & Regie: Lars von Trier
(Bild oben, neben dem (un)toten Raben)
Start: 10. September 2009
ANTICHRIST bekam ich nach Auslassen der Pressevorführung (fast) als
reguläre Kinovorstellung - nennen wir es Kulturspiegel-Preview -
präsentiert. Ein kleines Kino, zwei Kinosäle, zwei
Kinovorstellungen, eine Schlange, eine Angestellte, die Kinokarten
verkauft, Nachos, Bier, Popcorn, noch ein Bier, nein, doch lieber Cola,
mit was gibt es die Nachos nochmal, ja ok, dann mit Käsesoße,
ah, und noch ein Bier... oder doch ein Cola?! So eine Vierer-Gruppe
braucht schon ihre Zeit, bis sie das alles ausdiskutiert hat. Den
Vorführer interessiert das freilich nicht und er startet den Film,
Schlange unten hin oder her. Die wollen sicherlich alle nur mal fünf
Minuten mit der Angestellten flirten und nicht überflüssiger
Weise noch den Filmanfang sehen.
In der Schlange unten sage ich, während der Film oben, auch wenn ich
es noch nicht weiß, schon munter losläuft, zu meiner Freundin -
die mich erstaunlicherweise, obwohl ich ihr diesen Film angetan habe,
immer noch nicht verlassen hat - , "Also, der Film wird ziemlich
hart (brutal, meine ich damit). Ich denke, da werden einige schon
vorher rausgeh'n.". Und am Ende sind wir fast die ersten, die gehen.
Nicht, weil es zu brutal wäre (dazu muss man länger
durchhalten), sondern aus Langeweile.
Da Lars von Triers Film einen Epilog aufweist, so muss ich davon ausgehen
(ich verweise nochmals auf die Schlange und den daran nicht interessierten
Vorführer), dass er auch einen Prolog zu bieten hat. Irgendwo da
stirbt ein Kind. Das lässt mir viel Interpretationsspielraum, was
passiert sein mag, und das ist den größten Teil des Films
über die spannendste Frage. Ich für mich komme zwischendurch
schon zu dem Schluss, die Frau (sie heißt tatsächlich so)
könnte das Blag selbst um die Ecke gebracht haben. Andere Seiten im
Internet, mindestens aber eine, nämlich die, auf der ich es gelesen
habe, lassen immerhin die Möglichkeit offen, dass sie die Sache
hätte verhindern können, da sie das Kind auf dem Weg zum
Fenstersims erblickte. Nun ja, sagen wir es mal so: Ich mag es zwar nicht
zugeben, doch scheint mich der Film indes doch derart beschäftigt
sich haben, dass ich mir den verpassten Anfang (Oh, es waren dann doch nur
zwei Minuten.) nochmals angesehen habe. Und - nein, sie (Charlotte
Gainsbourg) schaut sowas von nicht zu ihrem Kind, sondern stöhnt
allerhöchstens Mal ihren mit ihr Sex habenden Mann (Willem Dafoe) an
oder hat die Augen zu - oder beides. Es kommen also auch versierteren
Filmkritikern als mir (Filmbanausen) rückwirkend Gedanken, die sich
in nie vorgekommenen Bildern manifestieren.
In meiner bis dahin immer noch vorhandenen (und ganz im Allgemeinen
prinzipiell stets präsenten) Unwissenheit gehe ich davon aus, das
Kind sei irgendwo im Wald gestorben. Wieso sonst geht unser Pärchen
alsobald in denselbigen, um sich dort ihren (Charlotte Gainsbourgs)
Ängsten zu stellen und sie (die Ängste) zu kurieren zu
versuchen. Wieder falsch... nun ja... Im Wald sind sie dennoch gelandet.
Und in den Kapiteln Trauer, Schmerz und Verzweiflung begegnen ihm
dort Fuchs, Gans und Hase (oder Reh, Fuchs und Rabe - is' ja auch egal...
drei Bettler jedenfalls). Endlosen Diskussionen - was gelogen ist, denn
selbst dieser Film hat ein Ende - folgt gen Ende dann die in etlichen
Kritiken vorangekündigte Gewalt. Ich bin mal so nett und erwähne
das Wort SPOILER, da ich nun etwas für mich untypisches tue,
nämlich vom Film zu erzählen... Was bleibt mir auch übrig.
Nix verstanden, da muss ich mich auf die Inhaltsangabe
beschränken.

Alles grün!?
Ein seltenes Bild:
Charlotte Gainsbourg in Klamotten.
|
Sie, in ihrer Angst vorm Wald ganz grün, kaum sich einen Fuß
auf den Boden setzen trauend, fühlt sich von ihrer manischen
Depression plötzlich geheilt. Blackout (meiner, nicht im Film). Sie
wirft ihm vor, sie verlassen zu wollen. Blackout. Sie will (nicht zum
ersten Mal) Sex mit ihm. Blackout? Weiß nicht. Sie haut ihm einen
Holzklotz zwischen die Klöten. Er - ist nicht begeistert - und
ohmächtigt. Sie, nein er. Nein. Sein. Nein. Ein Gummischwanz (denke
ich) ragt von unten ins Bild. Ein Prachtstück, wenn man bedenkt, dass
die Klöten sich in recht matschigem Zustand befinden müssen. Sie
- Tugjob nennt man das, glaube (weiß natürlich) ich - tugjobt
ihn, bis dass ihr statt Samen Blut um die Ohren und aufs Kleid spritzt,
und frei nach dem Motto "Hat's dir nicht gefall'n, dann bohr dir doch ein
Loch ins Knie!" bohrt ihm ein Loch ins Unterschenkel. Und befestigt
fachmännisch dort einen Schleifstein. Damit er sie nicht verlassen
kann, denke ich. Ach nein, ich denke ja gar nicht mehr. Blackout. Er
verlässt sie. (Sie schläft vermutlich oder macht sonstwas. Ich
weiß es wirklich nicht mehr...). D.h. er schleift sich davon.
Anstatt zu rollen. Versteckt in einem Fuchsbau, während sie ihm auf
den Fersen (oder den Schleifspuren?) ist, begrüßt ihn die
Verzweiflung in Form des unkaputtbaren Rabens (oder Hasen - siehe oben).
Der Rabe rabt so lange aus voller Kehle, bis sie ihn (Willem Dafoe - und
Rabe auch mehr oder weniger) im Fuchsbau ausfindig macht, und gleich ein
paar mit der Schaufel auf die vom Fuchsbaueingang aus erreichbaren
Füße brät. Unbefriedigt von dieser Erfahrung (im Vergleich
zum Löcher bohren) beginnt sie, sich von oben in den Fuchsbau zu
graben, was - Blackout - durch herabstürzende Erde fast zu seinem
(Willem Dafoes, nicht des Rabens, der scheint ja unsterblich) lebendigen
Begräbnis führt.
Blackout. Sie gräbt ihn aus (siehe Bild). Blackout. Glaube ich.
Zurück in der Hütte. PS: Spoiler im Spoiler: Gestorben wird
erst, wenn die drei Bettler eintreffen. Ein (vor)letzter Gewaltakt - der
letzte ist der, dass er sie wie eine Hexe auf dem Scheiterhaufen
verbrennt: Sie drückt ihm (immer noch recht benommen von den ganzen
Strapazen. Wir erinnern uns: Klöten, Schleifstein, im Fuchsbau
begraben, irgendwie auch wieder bis zurück zur Hütte gerollt)
eine Schere in die Hand, befummelt sich - ihr wisst schon wo - und tubjobt
seine Hand mitsamt der Schere in Richtung weibliche Beschneidung. Wir sind
nun an der Stelle angelangt, die die Kritik, die ich mir vor dem Film
durchlas und die mich zu der obigen Aussage verleitete, der Film
könne recht hart werden, in etwa mit den Worten "... Depressionen,
nach dem Tot ihres Kindes... Wald... bis bin zur Selbstzerstümmelung"
betitelte. Noch ein letzter Blackout. Er überwältigt und
hexenverbrennt sie. Irgendwo im Text oben müsste ich nun noch
einbauen, dass sich ihre nicht vollendete Dissertation, in der Hütte
(nicht zu Ende) geschrieben, mit dem Thema Völkermord vorwiegend an
Frauen, und damit nicht um das Thema Hexenverbrennung herum kommend,
beschäftigte. Ich habe aber keine Lust, mir den ganzen Text nochmal
durchzulesen, daher erwähne ich es einfach hier. Den Epilog, in dem
mich dann doch noch mehrere Blackouts plagten, kann ich mich doch kaum
mehr an Gesichter der dort auftretenden Schauspieler erinnern,
erzähle ich euch an dieser Stelle nicht, damit ihr noch einen Grund
habt, bis zum Schluss durchzuhalten.
Oje... die drei Bettler.
Jetzt ist jemand im Arsch!
Standing Ovations gab es in dieser Vorstellung nur von einer ganz in der
Nähe von mir sitzenden und zuvor durch lautes Schnarchen
aufgefallenen Person, der ich aber sogar unterstelle, des Wortes Sarkasmus
mächtig zu sein.
Schon seit Lars von Triers Serie "GEISTER" im WDR lief entwickelte ich
mich zum großen Lars von Trier Fan (wobei ich mir nicht so sicher
bin, ob es mir auf Grund der maximal wöchentlichen Ausstrahlung, mit
Unterbrechungen, sofern gerade mal der Papst zu Besuch war, oder
Sendeplatzverschiebungen jemals gelang, mehr als drei aufeinander folgende
Teile zu sehen). DOGVILLE und MANDERLAY fand ich durchweg spannend und
unterhaltsam, BREAKING THE WAVES habe ich vermutlich auch gesehen, aber
auf Grund zu vieler Blackouts mittlerweile verdrängt, und so weiter
und so fort. Doch nach ANTICHRIST war ich stinksauer und der Meinung, dass
Lars von Trier sich einen Scheißdreck um sein Publikum schert, frei
nach dem Motto "Ich kann mir alles erlauben.". Nach ein wenig Recherche,
die immerhin andeutet, dass Lars von Trier selbst der Meinung ist, dass
nicht viele seinen Film zu Ende sehen werden könnten, und er das
Drehbuch aus einer eigenen Depression und frühen Aufzeichnungen und
Bildern entwickelte, mag ich ihm das ein wenig verzeihen. Die expliziten
Bilder sind es dabei nicht, die mich schockieren. Da finde ich selbst
manch billig aufgemachten Splatter-Film schauriger. Was mich nach wie vor
schockiert, ist die Langweile, die einen (nun ja, mich zumindest) den
gesamten Film über begleitet, so dass es selbst den abartigen
Gewaltakten nicht gelingt, einen aus seiner Lethargie
herauszureißen.
So. So ist das (L)eben. Über einen Film wie ANTICHRIST scheint es
Pflicht zu sein, viel Text zu schreiben. Darum habe ich das hier auch
einmal probiert. Ansonsten hätte ich nämlich nur geschrieben:
Langweilig symbolschwangeres Arthouse-Kino, das dem Ottonormalbürger
einmal mehr vor Augen führt, dass er zu blöd ist, es zu
verstehen.

Bild 1: Lars von Trier wettet mit Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe,
dass er sich eine Frisur wachsen lassen wird, wenn sie ihre Szenen mehr
nackt spielt und er sich den Holzblock in Echt in die Klöten schlagen
und den Schleifstein ans Bein binden lässt.

Bild 2: Willem Dafoe (mit Schleifstein) und Lars von Trier (mit Frisur)
amüsieren sich immer noch über die kindische Wette. Rechts im
Bild: Charlotte Gainsbourg als Baum. Eine unter Schaupielern immer wieder
beliebte Übung.

Bild 3: Auch Charlotte Gainbourg (mit Kleidern) und Lars von Trier (immer
noch mit Frisur) amüsieren sich, was man auf Grund des stark
verkleinerten Bildes allerdings leider kaum mehr erkennen kann. Um so
besser zu erkennen dafür, rechts: Willem Dafoe als Baum.

Bild 4: KO (mit Sonnenbrille) als Baum... - Ich übe noch!
Home
>> Geister (arte Edition)
Bildmaterial:
© MFA+ Filmdistribution